
Die Wohnraumnachfrage in der Schweiz wächst weiter
Die Schweiz steht vor erheblichen demografischen Veränderungen die weitreichende Auswirkungen auf Gesellschaft und Wirtschaft haben. Dazu gehören auch sich wandelnde Bedürfnisse im Wohnungsmarkt.
Die Schweiz steht vor erheblichen demografischen Veränderungen. Einerseits wird die Bevölkerung in den nächsten 30 Jahren stark altern. Der Altersquotient – die Anzahl der älteren Menschen (65 Jahre und älter) gemessen an 100 Personen im erwerbsfähigen Alter (20 bis 64 Jahre) – liegt aktuell bei 32. Bis ins Jahr 2050 wird er aber auf 49 ansteigen. Andererseits prägen die niedrige Geburtenrate und eine potenziell rückläufige Migration die künftige Bevölkerungsentwicklung. Dies hat weitreichende Auswirkungen auf Gesellschaft und Wirtschaft. Dazu gehören auch sich wandelnde Bedürfnisse im Wohnungsmarkt.
Die Schweiz im Jahre 2050
Im Vergleich zur jüngeren Vergangenheit dürfte sich das Bevölkerungswachstum in der Schweiz in den nächsten Dekaden etwas abschwächen. Während die Bevölkerung in den letzten zehn Jahren im Durchschnitt um 0.9% pro Jahr wuchs, werden es in den nächsten 30 Jahren nur noch knapp 0.6% sein. Denn die Alterung der Bevölkerung und die niedrige Geburtenrate führen zu einem Rückgang des Geburtenüberschusses. Dieser betrug in den letzten zehn Jahren im Durchschnitt +17 000 Personen pro Jahr. Zwischen 2024 und 2030 wird er jedoch auf +11 000 Personen sinken und ab 2039 sogar negativ werden. Parallel dazu wird die Alterung der Bevölkerung in den grossen Nachbarländern Frankreich, Deutschland und Italien die Erwerbsbevölkerung dort, und damit potenziell auch die Migrationsströme in die Schweiz, verringern.
Gemäss Prognosen von Wüest Partner dürfte die Schweiz im Jahr 2050 rund 10.4 Millionen Einwohner zählen, verteilt auf 4.7 Millionen Haushalte. Davon werden voraussichtlich 2.8 Millionen über 65 Jahre alt sein – gut eine Million mehr als heute. Im Gegensatz dazu dürfte die Bevölkerung im Erwerbsalter lediglich um gut 300 000 Personen zunehmen.
Bevölkerungswachstum nach Altersklassen (Jahreswachstumsraten)
Stand der Prognose: 1. Quartal 2024 / Quelle: Wüest Partner – Erstellt mit Datawrapper
Ob sich diese Prognosen bestätigen, hängt in hohem Mass auch von internationalen Entwicklungen ab. So spielt die relative Attraktivität des Schweizer Arbeitsmarkts im Vergleich zum Ausland eine wichtige Rolle beim Zuzug von Arbeitskräften. Ausserdem haben Kriege und der Klimawandel einen grossen Einfluss auf Flüchtlingsströme. Was den Geburtenüberschuss betrifft, stellt sich die Frage, ob der starke Geburtenrückgang der letzten Jahre nur ein vorübergehendes Phänomen darstellt oder ob er langfristiger Natur sein könnte. Schliesslich wirkt sich auch die Migrations-, Wohnungs-, Familien- und Baupolitik massgeblich auf die Entwicklung der Bevölkerung aus.
Um abzuschätzen, was dies für die zukünftige Wohnungsnachfrage bedeutet, ist nicht nur die Bevölkerungsentwicklung selbst, sondern vor allem die damit verbundene Haushaltsentwicklung entscheidend.
Anzahl Haushalte wächst stärker als Bevölkerung
Das Bevölkerungswachstum und die Zunahme der Anzahl Haushalte sind naturgemäss eng miteinander verknüpft. Sie können sich jedoch in ihrer Dynamik unterscheiden. Die Entwicklung der Lebensstile und die veränderte Altersstruktur der Bevölkerung prägen die Art und Weise, wie Menschen zusammenleben, und somit auch ihre Entscheidungen zur Haushaltsbildung. Zwischen 2012 und 2022 wuchs die Bevölkerung um durchschnittlich 0.9% Prozent pro Jahr. Gleichzeitig stieg die Zahl der Haushalte um 1.3% Prozent pro Jahr − und damit gut 40% Prozent schneller als die Bevölkerung.
Dieser Unterschied fiel in den Jahren 2022 und 2023 vorübergehend geringer aus, da die aktuelle Wohnungsknappheit die Bevölkerung dazu drängt, vermehrt grössere Haushalte zu bilden. Langfristig bleibt jedoch der Trend zur Individualisierung und zur Bildung kleinerer Haushalte bestehen, sodass das Haushaltswachstum das Bevölkerungswachstum zukünftig weiterhin deutlich übertreffen wird. So werden zwischen 2023 und 2050 die Einpersonenhaushalte am stärksten wachsen (+28%), Prozent), dicht gefolgt von den Zweipersonenhaushalten (+24%). Prozent). Zum einen ist dies eine Folge der Alterung der Bevölkerung, da die meisten Menschen über 65 Jahre in Ein- oder Zweipersonenhaushalten leben und ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung deutlich steigen wird. Zum anderen begünstigt der relative wirtschaftliche Wohlstand in der Schweiz die Entstehung kleiner Haushalte.
Insgesamt dürfte die Anzahl der Haushalte in der Schweiz bis 2050 um 800 000 Einheiten wachsen (ein Plus von 20% Prozent gegenüber 2023). Dies entspricht einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 0.7%, Prozent, was rund ein Viertel höher ist als das Bevölkerungswachstum in diesem Zeitraum. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass 80% Prozent des Haushaltswachstums durch das Bevölkerungswachstum begründet ist, wenn die Bevölkerungsstruktur unverändert bliebe. Die übrigen 20% Prozent sind dagegen auf die Veränderungen der Bevölkerungsstruktur (insbesondere der Alterung) und auf die zunehmende Individualisierung (unabhängig vom Alter) zurückzuführen.
Insbesondere Alterswohnungen gefragt
Aus der Entwicklung der Bevölkerung und der Haushalte lässt sich die ungefähre zukünftige Wohnungsnachfrage ableiten. Die grösste Zunahme ist bei den Personen über 65 Jahren zu erwarten. Daher dürfte insbesondere die Nachfrage nach kleineren, altersgerechten Wohnungen in den nächsten Jahrzehnten deutlich steigen. Zum einen nimmt die Zahl älterer Menschen spürbar zu, zum anderen möchte ein wachsender Anteil möglichst lange selbstständig leben. Sie bevorzugen Wohnformen mit einem hohen Mass an Autonomie – sei es in der eigenen Wohnung oder in betreuten Wohnformen. Der Eintritt in eine Pflegeeinrichtung erfolgt tendenziell immer später, was durchlässige Wohnformen mit flexiblen Unterstützungsangeboten erfordert, die sich agil an veränderte Bedarfssituationen anpassen lassen. Die typische Alterswohnung in einem Alterszentrum, das solche Unterstützung bietet, ist mit 2.5 Zimmern in der Regel klein.
Gleichzeitig zeichnet sich ein wachsender Trend zu gemeinschaftsorientierten Wohnformen ab, in denen ältere Menschen mit anderen Generationen oder Gleichaltrigen zusammenleben. Diese Konzepte fördern soziale Interaktion und beugen Isolation vor. Somit ist künftig auch eine stärkere Nachfrage nach grösseren Wohnungen mit individuellen Rückzugsbereichen zu erwarten.

Marco Schmid
Senior Economist, Wüest Partner AG
Marco Schmid ist als Senior Economist bei Wüest Partner AG tätig. Er hat an der Universität Zürich promoviert und davor in Zürich und Berkeley Volkswirtschaft studiert. Seine Themenschwerpunkte sind die demografische Entwicklung, der Schweizer Arbeits- und Wohnungsmarkt sowie die Wirtschaftlichkeit von energetischen Sanierungen. Er ist als Gastdozent an verschiedenen Schweizer Hochschulen tätig.